Sassnitz: Wiederansiedlung des Störs in der Ostsee geht weiter
Pressemitteilung Nr.164/2022 | 09.06.2022 | LM | Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt
Im Rahmen der diesjährigen Stör-Besatzmaßnahmen des Instituts für Fischerei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA MV) werden heute [09.06.22] weitere Fische bei Sassnitz in die Ostsee besetzt.
Fischereiminister Backhaus lobt die großangelegte Wiederansiedlung des Störs:
„Der Stör galt als ausgestorben in der Ostsee, doch wir bringen ihn zurück. Insgesamt wurden in den vergangenen 15 Jahren bereits mehr als 3 Mio. in Born erbrütete Baltische Störe im Odereinzugsgebiet und in den Küstengewässern MVs besetzt. So fand in diesem Jahr allein schon ein gemeinsamer Besatz von etwa 400 subadulten Stören mit HELCOM-Partnern in Lebus (Brandenburg) an der Oder statt. Im Mai wurde mit der Fischereiaufsichtstation Freest und mit engagierten, ansässigen Fischern ein erfolgreicher Küstenbesatz von etwa 300 Baltischen Stören vor Usedom realisiert. Weitere knapp 350 Störe wurden von der Mole in Sassnitz aus in die Ostsee besetzt. Und das Projekt zahlt sich aus. Durch das Monitoring wissen wir von Sichtungen in Zuflüssen der Ostsee – ein großer Gewinn für die Artenvielfalt des Ostseeraums. Der Stör wird einmal wieder zur Ostsee gehören, wie er es schon für Millionen von Jahren tat.“
Für das Monitoring der Störbestände werden Meldungen von Störfängen finanziell belohnt. Minister Backhaus ruft deshalb dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen und die Forschung zu unterstützen:
„Die Tiere des Küstenbesatzes tragen eine Markierung linksseitig ihrer Rückenflosse. Rückmeldungen von gefangenen markierten Stören helfen, das Wanderungsverhalten nach Besatz besser zu verstehen und werden vom Projekt honoriert. Solche Informationen sind essentiell für die zukünftige Harmonisierung des Besatzmanagements mit der Küstenfischerei. Meine Bitte gilt deshalb allen Anglern und Fischern: Wenn Sie einen Stör fangen, ob markiert oder unmarkiert, melden Sie das bitte dem Projekt.“
Auch unmarkierte Tiere können beim Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei gemeldet werden. Hier wird ebenfalls eine Meldeprämie in Höhe von 10 Euro ausgezahlt. Als Nachweis und zur Artunterscheidung wird in diesem Fall dringend um ein Foto gebeten.
Hintergrund:
In Sassnitz werden heute etwa 50 subadulte, extern markierte Baltische Störe mit einer Stückmasse von 0,5-1,5 kg in die Ostsee besetzt. Die Tiere stammen von der Reproduktion 2021 und wurden in der Warmwasser-Kreislaufanlage der Forschungsanlage Born vorgestreckt, anschließend an Salzwasser adaptiert und heruntergekühlt, damit sie für einen Küstenbesatz geeignet sind. Die externe Markierung der Tiere dient der Überwachung des angepassten Besatzregimes.
Seit ca. 1995 hat das Land Mecklenburg-Vorpommern die Wiederansiedlung des Baltischen Störs gemeinsam mit Partnern im Ostseeraum vorangetrieben und mit EU- und Landesmitteln finanziert. Im Rahmen vielfältiger Projekte des Instituts für Fischerei der LFA MV wurde überprüft, ob die natürlichen Voraussetzungen für eine Wiederansiedlung vorhanden sind und die Grundlagen für einen gezielten Bestandsaufbau mit experimentellen Besatz- sowie daran anschließenden Monitoringmaßnahmen gelegt. Dafür wurden in den Jahren 2005 und 2006 u.a. ausgewählte Störe per Luftfracht aus Kanada geholt – Elterntiere für die zukünftigen Störe in der Ostsee.
Das Institut für Fischerei der LFA MV führt die begonnene Arbeit an der Wiederansiedlung des Störs im Ostseeraum kontinuierlich fort und will das eigentliche Ziel einer eigenständig reproduzierenden Störpopulation im Ostseeraum erreichen. Dafür müssen langfristige Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Das bedeutet im Einzelnen:
- Die langfristige Absicherung sowie den qualitativen und quantitativen Ausbau der Reproduktionsbasis am Institut für Fischerei der LFA MV
- Die gesicherte Erzeugung von vitalen Fischen für effektive Besatzmaßnahmen
- Der Aufbau einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Fischern und Anglern für ein erfolgreiches Monitoring
- Ein weiterer Ausbau der internationalen Zusammenarbeit insbesondere mit den südlichen und östlichen Ostsee-Anrainerstaaten
Für dieses Projekt hat das Institut für Fischerei der LFA MV für eine Projektdauer von drei Jahren ca. 1,3 Millionen EURO vom Land Mecklenburg-Vorpommern und aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) erhalten.
Weltweit sind fast alle Bestände der 27 Störarten hochgradig gefährdet. In den deutschen Zuflüssen zur Nord- und Ostsee kamen historisch zwei Störarten vor. Beide haben seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen katastrophalen Bestandsrückgang erfahren, der vor allem durch eine zunehmende Gewässerverbauung und -verschmutzung sowie eine Übernutzung der Laichfischbestände verursacht wurde. In der Ostsee gilt der „Baltische Stör“ seit den 1970er Jahren deshalb als ausgestorben.
Der Europäische Atlantische Stör (Acipenser sturio), mit einer ehemals fast gesamteuropäischen Verbreitung, kam in Deutschland nur im Nordseeeinzugsgebiet vor. Im Ostseeraum war der Amerikanische Atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) – hier als Baltischer Stör bezeichnet – in den letzten 800 bis 1.200 Jahren bestandsbildend. Zur Bestandswiederherstellung der im Ostseegebiet ausgestorbenen Art wurden Störe aus dem nordamerikanischen Verbreitungsgebiet als Zuchttiere eingeführt, da sie die nächsten Verwandten des Ostseestörs sind.
Die Bemühungen zur Wiederherstellung von Beständen des Baltischen Störs kann man effektiv und langfristig nur erfolgversprechend vorantreiben, wenn man sie in einen internationalen Kontext einbettet. Die betreffenden Ostsee-Anrainerstaaten haben einen HELCOM Action Plan für den Baltischen Stör ausgearbeitet, der von den Mitgliedsländern im April 2019 ratifiziert wurde. Auf dieser Basis erfolgt die Umsetzung des Vorhabens und des begleitenden wissenschaftlichen Monitorings.
Partnerländer in dem Projekt sind:
PL: PZW Torun (poln. Anglerverband), IRS Olsztyn (Institut für Inlandfischerei Olsztyn); WWF Polen; insgesamt 3 Zuchtstationen, bisher nur eine Reproduktion im Jahr 2021 mit wenig Erfolg; Besatz; Fangmeldungen
LT: NRC (State Scientific Research Institute Nature Research) und Fischereiabteilung des Ministeriums für Landwirtschaft; hauptsächlich Besatz; Fangmeldungen
LV: BIOR (Institute of Food Safety, Animal Health and Environment); laufendes Projekt zur Wiederansiedlung; aktuell Bau einer Zuchtstation; Besatz; Fangmeldungen
EE: Wildlife Estonia; genehmigtes LIFE-Projekt; aktuell Besatz; Fangmeldungen
SE: Swedish Museum of Natural History; Auswertung historischer Fangdaten; Fangmeldungen
DK: Natural History Museum; Auswertung historischer Fangdaten; Fangmeldungen
UK: UK Sturgeon Alliance; Auswertung historischer Fangdaten; Fangmeldungen
Aufgeführte Partnerländer inkl. DE sind Teil der HELCOM EG STUR und Arbeiten hinsichtlich Erfüllung des HELCOM Action Plan inkl. Guideline-Development und Öffentlichkeitsarbeit; alle Partner stehen im ständigen Kontakt durch EG STUR Meetings (mind. 2x jährlich) und tauschen Expertise sowie Daten aus.
(Das Helsinki-Abkommen für den Schutz der Ostsee aus dem Jahr 1974 sollte das Einbringen von Schad- und Nährstoffen in die Ostsee vermindern und dazu beitragen, sie von militärischen und anderen Altlasten zu befreien. Das Abkommen wurde 1992 um den Aspekt des Schutzes von Natur und Lebensvielfalt erweitert. Dem erneuerten Helsinki-Übereinkommen von 1992 zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets gehören alle neun Ostsee-Anrainerstaaten und die Europäische Union an.
Die Helsinki Kommission (HELCOM) ist das oberste Entscheidungsgremium zu Fragen der Umsetzung des Übereinkommens und besteht aus Regierungsvertretern der 9 Vertragsstaaten sowie der EU und Beobachtern verschiedener Interessensgruppen, u.a. Umweltschutzverbänden www.helcom.fi)
Die Förderung erfolgt auf der Grundlage der Art. 26 und 44 Abs. 3 der VO EU 508/2014 „Innovationen im Fischereisektor“. Die Förderung setzt sich aus 75 % EU-Mitteln (EMFF) und 25 % Landesmitteln zusammen.
Ansprechpartnerin für Fragen zum Projekt bei der LFA MV ist Christin Höhne: Tel.: 0381/20260770; Email: c.hoehne@lfa.mvnet.de.
In eigener Sache – GfI-Fischartenatlas
Baltischer Stör (= Amerikanischer Atlantischer Stör Acipenser oxyrinchus) im GfI-Fischartenatlas:
https://biodiv-atlas.de/fische/#!/species/40151/details
Europäischer Atlantischer Stör (Acipenser sturio) im GfI-Fischartenatlas:
https://biodiv-atlas.de/fische/#!/species/40055/details
Hintergrundfoto: Acipenser oxyrinchus subsp. oxyrinchus