Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 23.10.2023:

Genetische Stabilität: Zweischneidiges Schwert für Haie

Haie existieren seit Millionen von Jahren, erkranken selten an Krebs und reagieren empfindlich auf ökologische Veränderungen. Eine internationale Studie unter Würzburger Leitung zeigt: Eine Erklärung liegt in den Genen der Fische.

Haie bevölkern seit etwa 400 bis 500 Millionen Jahre die Weltmeere. Während sich unser Planet und viele seiner Bewohner in dieser Zeit mehrfach massiv verändert haben, bilden diese ursprüngliche Gruppe der Wirbeltiere eine gewisse Konstante. Ihr grundsätzliches Erscheinungsbild hat sich seitdem nämlich kaum gewandelt. Woran das liegt, hat nun ein internationales Forschungsteam aus Deutschland, Australien, Schweden und den USA herausgefunden. Es zeigte sich, dass Haie die niedrigste Mutationsrate zwischen den Generationen aufweisen, die bislang bei Wirbeltieren nachgewiesen wurde. Geleitet und koordiniert hat die Studie die Arbeitsgruppe von Seniorprofessor Manfred Schartl am Lehrstuhl für Entwicklungsbiochemie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Veröffentlicht wurde sie nun in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Untersuchungen an Epaulettenhaien

Für die Studie wurden Epaulettenhaie vor der Nordostküste Australiens gefangen und anschließend eine Zuchtstation am Australian Regenerative Medicine Institute (ARMI) der Monash University eingerichtet. Dadurch war es erstmals möglich, die Mutationsrate innerhalb eines Haistammbaums genetisch zu bewerten. Zuerst konnte das Forschungsteam ein hochwertiges Referenzgenom erstellen und die gesamten Genome der Eltern und anschließend der neun Nachkommen sequenzieren, um neue Mutationen zu entdecken, die in den Nachkommen auftreten.

Das Ergebnis: Mit einer geschätzten Mutationsrate von 7×10−10 pro Basenpaar pro Generation weisen sie die niedrigste Mutationsrate auf, die bislang bei Wirbeltieren verzeichnet wurde. Sie ist damit zehn- bis zwanzigmal niedriger als bei Säugetieren.

Niedrige Mutationsrate als zweischneidiges Schwert

Haien wird schon lange eine außergewöhnliche niedrige Krebsrate nachgesagt. „Daran könnte die niedrige Mutationsrate entscheidenden Anteil haben“, erklärt Manfred Schartl. Was zunächst nach guten Neuigkeiten für die Tiere klingt, bringt aber auch einige Probleme mit sich. Mutationen sind nämlich von entscheidender Bedeutung, da sie die genetische Variabilität innerhalb von Populationen erhöhen und so die Anpassung an neue Bedingungen und den evolutionären Wandel ermöglichen. Da sich Haie nur sehr langsam weiterentwickeln, besteht für sie die Gefahr, dass sie ökologischen Belastungen wie Überfischung und Lebensraumverlust nicht standhalten können.

Besonders schützenswert

Haipopulationen erleben weltweit teils dramatische Einbrüche. Von rund 530 bekannten Haiarten gelten bereits mehrere als akut vom Aussterben bedroht. Besonders bedroht sind sie durch Veränderungen ihres Lebensraums, beispielsweise durch die Erwärmung der Meere oder den Beifang in der Fischerei. Allerdings wird auf Haie auch aktiv Jagd gemacht, etwa zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln gegen Krebs – natürlich ohne wissenschaftliche Basis.

Weil Haie eine entscheidende Rolle für viele marine Ökosysteme spielen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Bemühungen zum Schutz aller Haiarten und zum Erhalt ihrer genetischen Vielfalt zu unterstützen und zu intensivieren.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Manfred Schartl, Lehrstuhl für Entwicklungsbiochemie, phch1@biozentrum.uni-wuerzburg.de


Originalpublikation:

Low mutation rate in epaulette sharks is consistent with a slow rate of evolution in sharks. Ashley T. Sendell-Price, Frank J. Tulenko, Mats Pettersson, Du Kang, Margo Montandon, Sylke Winkler, Kathleen Kulb, Gavin Naylor, Adam Phillippy, Olivier Federico, Jacquelyn Mountcastle, Jennifer R. Balacco, Amalia Dutra, Rebecca Dale, Bettina Haase, Erich Jarvis, Gene Myers, Shawn M. Burgess, Peter D. Currie, Leif Andersson & Manfred Schartl. Published: October 20th, 2023. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-023-42238-x