Gewässerschutz: Deutsche haben ökologische Grundwerte, aber wenig Bezug zu Fischen
Süßwasserökosysteme beherbergen weltweit etwa ein Drittel aller Wirbeltierarten und 43 Prozent aller Fischarten. In Europa sind mehr als 40 Prozent der heimischen Süßwasserfische bedroht oder bereits ausgestorben: Gewässerverbau, Wasserkraft und Aufstau, Verschmutzung, Klimawandel, invasive Arten und zum Teil auch die Überfischung sind die Hauptursachen dafür. Es hängt also von unserem Handeln ab, wie sich Gewässer und Fischarten entwickeln. Um Flüsse und Fischbestände besser zu schützen, muss man Menschen überzeugen – doch nicht jedes Argument zieht: Wie eine aktuelle Studie zeigt, muss man den kulturellen Kontext beachten, in dem die Öffentlichkeit die Bedrohung der Artenvielfalt wahrnimmt und darauf reagiert.
Die Forschenden des IGB, der Humboldt-Universität zu Berlin und internationale Kooperationspartner*innen nutzten die umweltpsychologische Werte-Überzeugungen-Normen Theorie, um zu untersuchen, wovon umweltfreundliches Verhalten am Beispiel des Fischartenschutzes abhängt. Dr. Carsten Riepe, Erstautor der Veröffentlichung im Fachjournal Society and Natural Resources, betont: „Das Besondere unserer Studie liegt darin, dass wir nicht nur Verhaltensabsichten betrachtet haben, sondern auch das tatsächlich gezeigte Verhalten im Alltag der Menschen erhoben haben, beispielsweise die Spendenbereitschaft von Menschen für Maßnahmen, die dem Fischartenschutz in Flüssen zugutekommen. Das erhöht die Aussagekraft unserer Umfrage enorm.“
Gleiche ökologische Grundwerte, unterschiedliche Verbundenheit mit Fischen
Die Befragten in den vier Ländern zeigten ähnliche umweltbezogene Überzeugungen, Einstellungen und Normen. Beispielsweise waren ökologische Grundwerte und der Erhalt der biologischen Vielfalt in und an Flüssen allen Befragten mehrheitlich wichtig. Der überwiegende Teil fühlte sich sogar tendenziell moralisch verpflichtet, Bedrohungen für den Rückgang der Fischartenvielfalt in Flüssen abzumildern.
In den vier Ländern gab es aber auch einige relevante Unterschiede: So deuten die Umfrageergebnisse aus Norwegen, aber auch aus Schweden und Frankreich, auf eine höhere Verbundenheit mit Fischen und der aquatischen Umwelt hin. In diesen drei Ländern war der Schutz heimischer Fischarten ein besonders wichtiger Anreiz für naturschutzorientiertes Verhalten; in Deutschland hingegen hatte der ökologische Gesamtkontext mehr Gewicht. Deutsche zeigten im Vergleich zu den anderen drei Ländern insgesamt wenig Bezug zu Fischen und der aquatischen Umwelt.
Ökologische und gesellschaftliche Länderunterschiede wirken sich auf die gesellschaftliche und politische Wahrnehmung von Fischen und Flüssen aus
„Die vier untersuchten Länder unterscheiden sich in ihren Fischgemeinschaften und dem Zustand ihrer Süßgewässer. Außerdem gibt es kulturelle, freizeitbezogene und sozio-ökonomische Unterschiede. Diese Faktoren beeinflussen auch das naturschutzorientierte Denken und Verhalten in Bezug auf den Fischartenschutz. Die Ergebnisse erklären, warum bestimmte Länder höhere Investitionen in den Fischschutz tätigen, warum fischbezogene Themen unterschiedlich im politischen Diskurs auftreten und warum es zwischen den europäischen Ländern Unterschiede in der gesellschaftlichen Bedeutung und in der Wahrnehmung von Fischen und der Fischerei gibt“, erläutert der Projektleiter Professor Dr. Robert Arlinghaus vom IGB.
Wichtige Erkenntnisse für die Umweltbildung
Aus den Ergebnissen leiteten die Forschenden Erkenntnisse für effektive Umweltbildungs- und Interventionskampagnen ab. Diese Maßnahmen – beispielsweise initiiert von Ministerien oder von umweltbezogenen Nichtregierungsorganisationen – brauchen einen argumentativen Rahmen, der den Nerv der Adressaten trifft: „Ein vielversprechender Weg besteht darin, die Kernbotschaft einer Informationskampagne in ein Narrativ einzubetten, das länderspezifische Bezüge zur Art und Weise der Umweltwahrnehmung herstellt. Während Themen und Fakten rund um den Wildlachs oder die Bachforelle Menschen in Norwegen und Schweden begeistern, erreicht man die Deutschen eher mit allgemeinen Themen wie der Wasserqualität oder der Gefährdung der Biodiversität als Ganzes“, fasst Carsten Riepe die praktischen Schlussfolgerungen der Studie für die Umweltbildung und -kommunikation zusammen.